Ich like euch! oder: Sympathie bekunden im Non-Internet

„Hoffentlich wirkt mein freundlich gemeinter Blick nicht wie ein aufdringliches Haifisch-Grinsen!“, denke ich, als ich an dem dreiköpfigen Nerd-Gestirn vorüberschlendere.
[Nur damit diesbezüglich keine Zweifel aufkommen: „Nerd“ ist für mich hauptsächlich deskriptiv, mit einer gewissen Tendenz zur positiven Konnotation.]
Im ersten Moment halte ich die jungen Leute für Gothics – alternder Simplicissimus, der ich bin. Als ich noch jung war (…), hätte ich mit dieser Einordnung vielleicht richtiggelegen. Aber heutzutage gibt´s ja noch Emos (oder schon nicht mehr?), Cyberpunks und weiß der Henker was noch. Was oder wer auch immer die drei sein mögen, ich jedenfalls mag sie. Ich finde sie auf Anhieb sympathisch und würde das gerne irgendwie zeigen.

Null Problemo, für solche Fälle habe ich schließlich eine super Lösung parat. Wie durch Geisterhand, tatsächlich aber auf meinen mentalen Befehl hin erscheint über meinem Kopf dezent und doch gut erkennbar ein Hologramm des nahezu universal bekannten Daumens nach oben in blau und weiß.
Die drei wissen nun Bescheid: „Ah cool, der liket uns!“
Sie lächeln zurück.

Ach nee, warte – leider doch nicht.

In Wirklichkeit bleibt die Situation unaufgelöst. Ob das Trio sich von mir ange- oder doch eher meiner Absicht entgegen belächelt fühlt? Ich werde es niemals herausfinden, schätze aber die Chancen für letzteren Fall als relativ hoch ein. Alles nur, weil noch niemand diese mental steuerbare Hologramm-Like-Funktion für den Alltag erfunden hat! Oder zumindest etwas Ähnliches.
Was mir völlig unverständlich ist, denn ich könnte so etwas sehr gut gebrauchen.

Ich gerate nämlich des Öfteren in solche Situationen.
Besonders oft wiederum mit Leuten, die ein bisschen „anders“ sind und das in irgendeiner Weise nach außen tragen. Oder sich schlicht nicht darum scheren, ob jemand ihr „Anderssein“ wahrnehmen könnte. Menschen aus bestimmten Subkulturen mit entsprechenden Looks, wie die erwähnten Gothics (oder Emos oder so…). Lesbische oder schwule Paare, die Händchen halten und turteln. Menschen, gerade Frauen, die sich so anziehen, wie sie lustig sind und sich in ihrem Körper wohlfühlen, so wie er ist. Auch wenn die lookism-Polizei immer und überall Streife fährt und jede ihrer Eigenschaften mit einem angewiderten „zu“ brandmarkt. Zu dick, zu dünn, zu haarig, zu viel, zu wenig, zu nuttig, zu bieder.

Nun gibt es leider zwei Probleme mit mir, solchen Begegnungen und dem Versuch, irgendwie meine Sympathie und Grundsolidarität diesen Leuten gegenüber zu zeigen.

Problem No.1:
Ich sehe aus wie jemand, der seinen kleinen Lattenschuss auf eher unextrovertierte Weise pflegt: langweilig. Spießig bisweilen.
Vielleicht bin ich ja in nicht allzu ferner Vergangenheit noch in schwarzer Gewandung mit dickem Kajal-Strich um die finster blickenden Augen an Pfingsten durch Leipzig getrottet, wo mir Jugendliche mit gebührendem Abstand „Leichen! Erde! Patchouli!“ hinterherriefen.
Mag sein, dass ich in den Augen einiger mindestens ebenso deviant bin wie Frauen- oder Männerpaare.
Möglicherweise bin ich auch eines dieser fast schon klischeehaft dicken, plumpen Kinder, die wegen ihres Dickseins von Mitschüler*innen, Sportlehrern und anderen unangenehmen Zeitgenoss*innen gehänselt und vorgeführt wurden.
[Ohne hier zu viel verraten zu wollen: all das trifft zu.]
Es kann also sein, dass ich nicht unbegründetermaßen eine gewisse Nähe zu den beschriebenen Personen fühle. Aber man sieht mir diese Nähe nicht an.

Problem No.2:
Die betreffenden Leutchen machen sicherlich häufig die Erfahrung, schief angeguckt zu werden. Es ist ihnen daher nicht zu verdenken, wenn sie im Zweifelsfall davon ausgehen, dass auch ich ein Schiefgucker bin. Umso mehr habe ich deswegen das Bedürfnis, ihnen eine kleine anerkennende, wohlwollende Geste von Mensch zu Mensch zu senden. Nichts Hochtrabendes, keine gönnerhafte Toleranz-Demonstration, die eigentlich nur mich als ach so tollen, weil eben toleranten Typen herausstellen soll. Einfach ein bescheidenes „Thumbs up, Mitmensch!“. Das real-life-Äquivalent zum Facebook-Like halt.

Also… gibt´s dafür ´ne App? Kann man da nicht mal was machen?!