Der männliche Mann

Neulich bei „Bauer sucht Frau“:
Ein Bauer sucht… na was wohl? Keine Frau. Sondern einen Mann.

Das ist jetzt nichts Neues, es gab über die Jahre hinweg schon mehrere Männer suchende Bauern und eine Frauen suchende Bäuerin.

Der aktuelle Bauer Jeroen nun, ein „kerniger Schweizer“, wünscht sich so einen richtigen Holzfäller-Typen: „Ich suche einen Mann, der mindestens genauso männlich ist wie ich selbst.“
Irgendwie hat mir das zu denken gegeben.

Wenn ich mich recht entsinne, kamen die schwulen RTL-Bauern oft maskuliner daher als viele ihrer heterosexuellen Mitbauern. Besonders denkwürdig ist mir ein Landbursche im Gedächtnis geblieben, der seinen potenziellen Romeo ein Huhn mit der Axt köpfen ließ, um dessen männliche Tauglichkeit auf die Probe zu stellen. Auch bei der lesbischen Bäuerin bin ich mir zu 90% sicher, dass sie sich explizit nach einer (zumindest optisch) weiblichen Frau umgesehen hat.

Ich finde das zunächst mal aufrichtig super, wenn so mit gängigen Homo-Klischees gebrochen wird. Dass ein Mann schwul ist, sagt eben erst mal nur aus, dass er auf Männer steht. Und nichts darüber, wie sehr er so ist, spricht, aussieht, wie wir es gemeinhin für „männlich“ halten. Schwule Männer flöten nicht den ganzen Tag mit nasal hohen Stimmen im Fummel vor sich hin, während sie sich bei einem Sektchen die Nägel lackieren. Ist doch prima, wenn RTL dahingehend auch noch für den letzten Pfosten vor der Glotze Aufklärungsarbeit leistet.
Dasselbe gilt natürlich mutatis mutandis für lesbische Frauen, die mensch sich ebenso wenig als männerhassende, unästhetische Holzfällerhemdenträgerinnen mit Bürstenhaarschnitt vorzustellen hat.

Nebenbei wird außerdem noch mit der heteronormativen Vorstellung aufgeräumt, dass ein Paar notwendig und komplementär aus je einem weiblichen und einem männlichen Teil besteht – notfalls eben aus je einem weiblichen und einem männlichen Mann respektive je einer weiblichen und einer männlichen Frau. In einer schwulen Beziehung sind zwei Männer zusammen, niemand ist „die Frau“; in einer lesbischen Beziehung sind zwei Frauen zusammen, niemand ist „der Mann“. Klingt gar nicht so komisch und ist einfach so.

So weit, so prächtig. Aber als Jeroen über seinen Traumprinzen, den männlichen Mann, sprach, habe ich mich ehrlich gesagt bei dem Gedanken ertappt: „Meine Güte, heutzutage schützt einen nicht mal mehr schwul sein vor überzogenen Männlichkeitserwartungen.“

Ich will dem, was ich gerade geschrieben habe, nicht widersprechen. Sexuelle Orientierung und der Ausdruck des eigenen Geschlechts sind ganz klar zwei verschiedene Paar Schuhe. Nichtsdestotrotz scheint mir aber doch eine sogenannte „abweichende“ sexuelle Orientierung das Spektrum der Möglichkeiten zu erweitern, wenn es darum geht, wie jemand sein Geschlecht versteht und ausdrückt.

Wenn Schwule allein wegen ihres Schwulseins nicht für „richtige Männer“ gehalten werden, dann können sie auch gleich darauf pfeifen, krampfhaft irgendwelchen Klischees von Männlichkeit entsprechen zu wollen, die ihnen vielleicht herzlich wenig entsprechen. Wer weiß, vielleicht ist der Klischee-Schwule nicht so „unmännlich“, weil er „eben so ist“, sondern weil er es darf. Nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!“ Wer kann schon mit Bestimmtheit sagen, ob nicht viel mehr Männer divenhaft, glitzerglamourös oder was weiß ich nicht noch sein würden, wenn es nicht total verpönt wäre?

Aber ganz so easy peasy scheint das mit der Freiheit zur Tuntigkeit doch nicht zu laufen, eventuell besonders dann, wenn man(n) schwul ist. Der geläufigen Homo-Karikatur entgegen scheint sich der Männlichkeitsdruck unter Schwulen eher zu erhöhen. Das ist jedenfalls mein unqualifizierter Eindruck vom periphersten Rande des Geschehens. (Korrigiert mich bitte gegebenenfalls, ihr, die es besser wisst!)

Vor nicht allzu langer Zeit geisterten auch Artikel (oder Videos?) zu der Frage durchs Internet, ob homosexuelle Männer nicht im Schnitt eigentlich viel männlicher als heterosexuelle sind. (Wo war das noch?) Wundern würde mich das, wiederum aus meiner beschränkten Perspektive, nicht. Wenn ich an den einen oder anderen schwulen Bekannten denke, beschleicht mich der Verdacht: mit diesen Titanen der Maskulinität werde ich im Leben nicht mithalten können. Es ist zum Komplexe entwickeln… Während zumindest einmal Teile der Männer liebenden Herren offenbar auf kernige Kerligkeit bei sich und potenziellen Sexualpartnern insistieren, wirken die meines Wissens primär an Frauen interessierten Typen in meinem Bekanntenkreis, meine Wenigkeit mitinbegriffen und abgesehen davon, dass wir natürlich die Allerhärtesten sind, nun… fast schon eher: knuffig.

Ob die Betonung der Maskulinität, der steigende Männlichkeitsdruck auch etwas mit dem vermehrten Angekommen-Sein (oder Ankommen-Wollen?) in der Mehrheitsgesellschaft zu tun hat? Muss man(n), um „normal“ im Sinne von weithin akzeptiert zu sein – so normal, dass man massentauglich von RTL als flirtender Bauer angeheuert wird – auch notwendig den bestehenden Normen gehorchen bzw. sie verinnerlichen?

Alles Quatsch? Bisschen was dran?
Was meint ihr?

Sexistische Kackwerbung – Teil 4: Müllermilch

Im Kühlregal sitzen halbnackte, nur spärlich mit Weihnachtskostümchenfetzen bedeckte Frauen und räkeln sich mir lasziv mit willig blitzendem Blick entgegen. Was die da machen, fragt ihr euch? Sie zieren die Winter-Edition der Müllermilch. Hm… Bananenmilch und Pin-Ups, seht ihr die Schnittmenge? Nö? Na dann geht´s euch ja genau wie mir.

Wie hieß es doch gleich: „Die Müllermilch, die schmeckt und weckt, was in dir steckt!“. Besagte Winter-Edition schmeckt mir jetzt weniger, weil darin ein Schuss zu viel Sexismus steckt.

Extrem „gelungen“ ist die Müllermilch Schoko: Da wird, weil eine ätzende Zutat offenbar nicht reicht, der Sexismus noch mit einer großzügigen Prise Rassismus gewürzt.
Dazu mehr an dieser Stelle: http://www.br.de/puls/themen/welt/interview-muellermilch-rassimus-tahir-della-100.html

In diesem Sinne: Prost!

Sexistische Kackwerbung – Teil 3: Wick DayMed

Herbstzeit, Erkältungszeit – und somit auch Zeit für Werbung, die Mittel gegen Erkältungsbeschwerden anpreist. Dazu gehört u.a. der Werbespot von Wick DayMed, der momentan wieder über Deutschlands Fernsehbildschirme läuft und einer/einem bei genauem Hinhören gewaltige Schauer über den Rücken treibt. So schlimm kann keine Erkältung sein wie dieses vermeintliche Antidot verkauft wird.

Aber der Reihe nach:
Wir sehen eine verschnupfte Frau in Business-Kleidung, die sich bei einem kleinen Mädchen krankmeldet als wäre dieses ihre Arbeitgeberin. Ja gibt´s denn so was?! Nein, natürlich nicht, und mit Hilfe von Wick soll es so was auch gar nicht geben. Das unrealistische Szenario wird als solches schnell entlarvt und wir aufgeklärt: „Mütter nehmen sich nicht frei… Mütter nehmen Wick DayMed!“

Der komplette Spot, die Story sowie last and least, quasi als Kackperle auf dem dampfenden Hundehaufen, dieser Spruch… All das beinhaltet so viele giftige Aspekte, die mir ein regelrechtes Magengewitter im Bauch verursachen, dass es mir schwerfällt, sie verständlich aufzudröseln. Aber ich werde es einmal versuchen.

Zunächst bringt die Werbung „sich um Kinder kümmern“ und „arbeiten“ miteinander in Verbindung. Dass diese Assoziation ihre Berechtigung hat, leuchtet jeder und jedem gleich ein: Kinder zu versorgen ist Arbeit. Und zwar nicht irgendein beliebiger Pillepalle-Job. Es handelt sich vielmehr um Knochenarbeit mit großer Verantwortung, maximal geforderter Flexibilität, hohem Zeitaufwand und, ganz klar, einem gigantischen Einsatz. Nicht einem Beruf, sondern einer Berufung soll mensch hier überdies nachkommen, das gilt für das Eltern-Sein mehr als für jede andere Arbeit im engeren oder weiteren Sinne.

Die Assoziation von „Kinder versorgen“ und „arbeiten“, die der Werbespot weckt, wird allerdings im gleichen Atemzug von ihr auch wieder negiert: Eltern zu sein, oder vielmehr – und das ist der enervierend springende Punkt – Mutter zu sein, das ist eben kein Job, erst recht keiner wie jeder andere.

Worin also liegt, laut Wick, der kapitale Unterschied zwischen „Mutter sein“ und „einem Beruf nachgehen“? (Nein, dass Mütter für eine der sicherlich anstrengendsten und wichtigsten Tätigkeiten nicht einen Cent bekommen, ist nicht die gesuchte Antwort.)
Arbeitnehmende haben vertraglich festgelegte Arbeitszeiten und somit auch festgelegte, ja vorgeschriebene Freizeit. Natürlich steht ihnen im Krankheitsfall das Recht zu, für einen gewissen Zeitraum auszufallen.
Anders geht es da den Müttern in der Wick-Sicht der Dinge: Ihre Aufgabe lässt ihnen weder Zeit noch Raum für Pausen und Erholung, unter normalen Umständen nicht und noch nicht einmal bei Krankheit.

Ständige Verfügbarkeit, permanenter Leistungsdruck, der Menschen selbst mit Fieber und völlig aufgebrauchten Energiereserven ihre Arbeit verrichten lässt – was in der Arbeitswelt als in hohem Maße schädliche Tendenz beobachtet wird, die enorme physische und psychische Leiden verursacht, das ist für Mütter der Normalzustand.
Mehr noch, es ist ein wünschenswerter, so geforderter Zustand. Denn der Satz „Mütter nehmen sich nicht frei“ vermittelt uns ja ein Ideal, ein „Mütter sollen sich nie freinehmen!“. In der besten aller möglichen Welten stopfen sich dieser Vorstellung zufolge Mütter eher mit Medikamenten voll oder riskieren einen Burnout als auf ihre eigenen Bedürfnisse einzugehen.

„Mütter nehmen sich nicht frei“, sie legen sich nicht einfach so ins Bett und kurieren sich aus wie jede*r andere mit einer Erkältung. Bemerkenswerterweise scheinen die Mütter auch die einzigen Menschen in ihrem gesamten Umfeld zu sein, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen können. Denn sie bitten auch nicht etwa die Großeltern, den Schwager oder die Nachbarin, vorübergehend auf die Kinder aufzupassen, um sich ein wenig zu schonen. Vom Vater einmal ganz zu schweigen…

Überhaupt, wie ist es mit den Vätern? Nehmen die sich auch nicht frei? Oder sind sie etwa im Unterschied zu Frauen, die Kinder kriegen, nie diesen ebenso unsichtbaren wie bindenden Vertrag eingegangen, der eine nicht als Arbeit bezeichnete Arbeit ohne Unterlass von ihnen verlangt?

„Mütter nehmen sich nicht frei.“ Mütter sind auch nicht frei, solange sie (längst nicht nur von dieser Werbung) in die Geiselhaft des Mutter-Ideals gezwungen werden.

 

Sexistische Kackwerbung – Teil 2: Trailer zu der VOX-Serie „Club der roten Bänder“

VOX strahlt demnächst, ab dem 9. November, mit „Club der roten Bänder“ die erste selbst produzierte Serie des Senders aus. Darin geht es um eine Gruppe von Jugendlichen, die unter verschiedenen schweren Krankheiten leiden und daher die meiste Zeit im Krankenhaus verbringen müssen. Aber die jungen Menschen ergeben sich nicht einfach so in ihr Schicksal und siechen vor sich hin – nein, sie bilden eine „Krankenhausgang“ und begehren gemeinsam gegen Leid und Freudlosigkeit auf.

An sich eine nette Story, vielleicht auch gut umgesetzt, darüber kann ich nichts sagen. Ich weiß nur mit Sicherheit, dass mich der Trailer zur Serie jedes Mal fassungslos und fuchsig zugleich macht.

In besagtem Trailer werden reihum die einzelnen Jugendlichen vorgestellt, mit Namen und einem die Person oder ihre Position in der Gruppe beschreibenden Zusatz. Da gibt es den Anführer, den 2. Anführer, den Hübschen, den Schlauen… und dann u.a. noch: „das Mädchen“. DAS MÄDCHEN!!!

Wir schreiben das Jahr 2015 (daran muss mensch sich an dieser Stelle wirklich krampfhaft erinnern!), und die einzige weibliche Hauptfigur einer Fernseh-Serie wird dadurch charakterisiert, dass sie… weiblich ist?!? Fast müsste man sagen, dass sie dadurch eher „entcharakterisiert“ wird. Kein Mensch mit Eigenschaften, Fähigkeiten etc., nee nee: ein „Mädchen“.

Was lernen wir daraus?
Jungs spielen eine (bestimmte) Rolle – Mädchen sind auch irgendwie dabei. Jungs haben Eigenschaften – „Mädchen“ ist eine Eigenschaft.

 

Sexistische Kackwerbung – Teil 1: Aptamil

Es ist so weit.
Da Werbung mit vorsintflutlichen Geschlechterstereotypen nicht auszusterben scheint, die besonders Frauen in ein nicht gerade vorteilhaftes Licht rückt, sehe ich mich quasi gezwungen, hier eine Reihe zu ebendiesem Thema zu starten.

Unmittelbarer Anlass und erstes Objekt des sich-Auskotzens ist die TV-Werbung für Aptamil. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Folgemilch“, das heißt um ein Nahrungsmittel, mit dem Babys nach der Stillzeit gefüttert werden sollen.
Die Werbung zeigt uns insgesamt zwei Erwachsene und vier Säuglinge. Einer der Erwachsenen ist bei den Kindern und versorgt sie mit dem beworbenen Produkt, das der andere im Labor entwickelt. Wir hören, dass wir jetzt schon, während sie noch ganz klein sind, über den weiteren Lebensweg unserer Sprösslinge entscheiden können. Wenig überraschenderweise ist die Entscheidung für Aptamil goldrichtig, und so sehen wir im Hintergrund die glorreiche Zukunft der das Wunderzeugs konsumierenden, im Vordergrund herumtapsenden Kleinen.

Hatte ich schon erwähnt, dass es um eine Folgemilch geht, die nach der Stillzeit zum Einsatz kommen soll? Ich sehe ja ein, dass schwanger zu sein, Kinder zu gebären und zu stillen (Cis-)Frauen vorbehalten ist. Dass da kein Mann ersatzweise einspringen kann, ist klar. Aber bei allem, was danach ansteht und darüber hinausgeht, könnten sich schon auch die Herren der Schöpfung beteiligen. Nicht so in der Aptamil-Werbung.

Da ist die erwachsene Person bei den Kindern natürlich weiblich. Was mir wahrscheinlich nicht aufgefallen, geschweige denn sauer aufgestoßen wäre, wenn sie nicht im Kontrast zu der anderen erwachsenen Person im Labor stünde. Die selbstredend männlich ist. Die Frau scharwenzelt zu Hause um das Kind herum, während der Mann gewissermaßen im Dienste der Zukunft der Menschheit arbeitet und forscht. Sie hat halt alltäglich mit dem Nachwuchs zu tun, er ist Experte auf dem Gebiet der Kindernahrung. Nervig.
Nun gut, irgendwie wäre das für mich noch im Rahmen des halbwegs Erträglichen, ich kann mir versuchen zu sagen: Tja, das bildet halt blöderweise ab, wie es gegenwärtig noch allzu oft läuft. Aber in dieser Werbung geht es ja um die Entwicklung der zukünftigen Erwachsenen, und da wird es definitiv unerträglich.

Der Zuschauerin oder dem Zuschauer soll gezeigt werden, was mithilfe von Aptamil alles Tolles aus den Kinderchen werden wird. Wir sollen eine Vorstellung davon bekommen, was die noch Kleinen einmal Großes bewegen können. In diesem Zusammenhang wird allein schon die quantitative Geschlechterverteilung sprechend: von vier aufstrebenden Existenzen sind ganze drei männlich, eine einzige weiblich. Hierdurch macht uns die Werbung zunächst deutlich, dass im Vergleich zu den vereinzelten Mädchen bzw. Frauen mehr Jungen bzw. Männer etwas erreichen werden.

Ein Blick darauf, welche Leistungen die Erwachsenen der Zukunft erbringen werden, lässt dann endgültig keinen Zweifel mehr daran, dass in der Aptamil-Sicht der Dinge Männer auch qualitativ mehr erreichen werden als Frauen.

Die Männer von morgen erstürmen im Wort- und im wohl mitsuggerierten übertragenen Sinne Gipfel, erschließen sich als Wissenschaftler die letzten verbliebenen Rätsel von Mensch und Natur, entdecken im Weltall ferne Planeten und erobern somit neue Welten, während ihre weibliche Altersgenossin… nun: ziemlich hübsch Ballett tanzt.

Ich hätte dazu jetzt eigentlich nur eine abschließende Frage: Ist das euer Ernst, Leute – soll so die kommende Generation aussehen?!?!?!